Der Skandal vom Chemise à la Reine

Was wäre der Sommer ohne luftig, leichte Hemdkleidchen? Ob in sorbetfarben oder weiß, mit Rüschen besetzt oder Broderie Anglaise – der Wohlfühlfaktor ist entscheidend! Besonders an schwülen, heißen Sommertagen gibt es nichts besseres als ein Hängerchen aus Baumwolle. Genau diesen Gedanken hatte auch die Queen of Fashion Marie Antoinette im Jahr 1783. Die französische Königin war bis dahin vor allem durch hre opulenten Rokoko- Kleider im Gespräch gewesen. Ähnlich eines heutigen Influencers oder It- Girls wurde alles was Marie Antoinette trug, sofort zum Trend und von denen, die es sich leisten konnten, modisch kopiert.

Im Alter von 30 Jahren und nach der Geburt ihres ersten Kindes schenkte Louis Auguste (der König von Frankreich) seiner Gemahlin das Petit Trianon – ein kleines Lustschloss unweit vom Versailler Hof. Dort lebte Marie Antoinette umringt von Blumen, Bäumen und strebte nach einer einfacheren Lebensform fernab der Etikette. In diesem Zusammenhang ließ Sie auch ihre Lieblings- Modistin (heutzutage würde wir den Beruf als Stylistin bezeichnen) zu sich rufen: Sie möge ihr etwas Einfacheres kreieren, was man im Garten tragen könne.

So verzichtete Rose Bertin bei der Enstehung des Chemise á la Reine auf ein einschnürendes Korsett, einen Unterock aus Walknochen und Draht und brachte der Königin ein einfaches weißes Hemdkleidchen. Einfach war in diesem Fall jedoch eine starke Untertreibung. Das locker fallende Hemdkleidchen war aus den zu Rokoko- Zeiten teuersten Baumwollstoffen gefertigt und mit Rüschen und Volants besetzt. In der Taille wurde es mit einer dekorativen Schleife gebunden, fiel jedoch ansonsten luftig am Körper herab. Das Kleid schliff weder auf dem Boden noch bedurfte es Unterkleidern- und Röcken. Eine Mode Innovation, die es der französischen Königin erlaubte, durch die Blumenwiesen des Petit Trianon zu streifen uns sich in ihrem eigens errichteten Bauerndorf bei Tee und Kuchen zu vergnügen.

Die Königin liebte das Chemise so sehr, dass Sie sich in diesem sogar von ihrer Lieblingsmalerin Élisabeth Vigeé- Lebrun porträtieren ließ. Das Gemälde wurde daraufhin in einer Pariser Ausstellung gezeigt und löste einen der größten Modeskanadale der Geschichte aus. „Die Königin habe sich im Nachthemd malen lassen“ war nur einer der bestürzten Kommentare aus dem Volk. Eine französische Königin in einem einfachen Hemdkleid, ohne Krone, ohne Pomp und Glamour – eine Schande für den ganzen Versailler Hof!

Élisabeth Vigeé- Lebrun: Marie Antoinette en Chemise. 1783. Schloß Wolfsgarten

Das Bild wurde umgehend aus dem Pariser Salon entfernt und musste von der Künstlerin übermalt werden. So kleidete Sie Marie Antoinette in einem taubengrauen Satinkleid, entfernte den sommerlichen Strohhut und bestückte die Königin noch mit einer edlen Perlenkette. Das zweite Gemälde, welches in der Stellage Marie Antoinettes exakt dem Vorgänger entspricht, kam beim Volk ein wenig besser an. Der Skandal jedoch kostete die Königin viele Sympathien und sorgte für einen immer schlechteren Ruf in der Bevölkerung. War die Königin zuvor oft wegen ihrer angeblichen Verschwendungssucht und pompösen Kleiderwahl angeprangert worden, so war es nun die Einfachheit des sommerlichen Hemdkleidchens, welche für große Empörung sorgte.

Élisabeth Vigeé- Lebrun: Marie Antoinette á la Rose. 1783. Schloß Versailles

Was lernen wir also aus dieser Geschichte? Egal für welches Outfit man sich entscheidet – unsere Mitmenschen bilden sich immer ihre eigene Meinung darüber. Wenn Ihr also das nächste Mal zu einem sommerlichen Hemdkleidchen greift, dann erinnert euch an diese kleine Entstehungsgeschichte und fühlt euch selbst wie eine Königin, die durch ihren französischen Schlossgarten streift und den Duft der Blumen genießt – egal was die Leute dazu sagen!